Seit Anbeginn der Zeiten lockt uns Menschen der Reiz des Neuen. Schon zu Urzeiten haben wir in Ritualen dem Unbekannten nachgespürt, über die Jahrhunderte haben wir uns in der Alchemie versucht und schließlich Forschung und Technik für uns entdeckt. Heute können wir Dinge tun, die vor weniger als einem Jahrzehnt unmöglich schienen. Und wir stehen erst am Anfang. Wie würdest du es finden, wenn wir mit einem Handwink Rechnungen bezahlen, Türen öffnen und Informationen austauschen könnten?
Dieser neue Wirklichkeitsentwurf ist bislang nur einer kleinen Gruppe Enthusiasten vorbehalten. Mit der Weiterentwicklung des Internet der Dinge könnte in Zukunft jeder mit dem Internet verbundene Mensch die Welt wie ein Jedi oder ein Zauberer erleben. Wir von Kaspersky Lab haben diesbezüglich Informationen aus erster Hand – im BionicManDiary berichten wir von den Erlebnissen von Evgeny „Che“ Chereshnev, unserem hauseigenen bionischen Mann oder „Cyborg“.
Seit fast einem Jahr trägt Chereshnev einen Biochip in seiner Hand. Er möchte damit einen Beitrag leisten zur Verbesserung der globalen Sicherheit. Che analysiert sein Cyborg-Dasein unter verschiedenen Gesichtspunkten; das schließt auch das Thema Cybersicherheit ein, beschränkt sich jedoch nicht darauf. Vor etwa einer Woche berichtete er brasilianischen Studenten auf der Campusparty Brazil 9 (einem Technologie-Festival) von seinen Erfahrungen mit dem Biochip-Implantat.
Zunächst einmal scheint ein Biochip-Implantat viele Vorteile zu haben: Du kannst ohne Schlüssel Türen öffnen, Passwörter speichern und andere relevante Informationen wie zum Beispiel medizinische Daten sichern.
Wenn du mit einem Biochip ausgestattet bist, bist du Teil des Internet der Dinge und das Internet der Dinge ist im Gegenzug, ein Teil von dir.
Mit einem Biochip in deinem Körper bekommt die Qualität von Apps und Services auf einmal einen ganz anderen Stellenwert: Fehlerhafter Code und Bugs werfen dich aus der Bahn und machen dir zu schwer schaffen. Schließlich ist es so, dass diese Störungen nicht mehr nur ein beliebiges technisches Gerät betreffen, das du besitzt – sie beeinträchtigen dich selbst unmittelbar, denn du bist der Chip. Wenn mehr Menschen an eigener Haut erfahren würden wie sich das anfühlt, wäre die Bereitschaft seitens der Hersteller, mehr Zeit in eine gute Programmierung zu investieren, womöglich höher.
Falls du mit dem Gedanken spielst, dich einem ähnlichen Selbstexperiment zu unterziehen, hast du verschiedene Optionen. Einerseits besteht die Möglichkeit, sich an einen Arzt zu wenden. Dieser Weg kann sich jedoch als umständlich und langwierig herausstellen, da Ärzte rechtliche und versicherungstechnische Aspekte abwägen, eine solche Operation unter Umständen noch nie vorgenommen haben oder moralische Bedenken haben, was die Installation eines Hardwarebausteins in einem menschlichen Körper betrifft. Eine andere Möglichkeit ist, ein professionelles Tattoo- oder Piercingstudio aufzusuchen. Che hat sich für letzteren Weg entschieden: Für nur 50 Dollar hat ihm ein Tätowierer den Biochip in die Hand implantiert und Che so in wenigen Minuten zu einem Cyborg gemacht.
Der Chip, der implantiert wurde, war ein NTAG216 RFID-Chipsatz. Che rät allerdings davon ab, sich für einen der aktuell verfügbaren Chipsätze zu entscheiden, da in Kürze eine neue Generation Biochips auf den Markt kommen wird. Selbst wenn du wild entschlossen sein solltest auch ein „Cyborg“ zu werden, ist es daher empfehlenswert die Markteinführung der neuen Generation abzuwarten. Schließlich ist ein Upgrade im Falle der Biochips nicht so einfach wie die Bestellung eines neuen iPhones, sondern mit einem chirurgischen Eingriff verbunden, bei der der alte Chip entfernt und ein neuer Chip eingesetzt wird.
Che selbst steht der Biochip-Technologie kritisch gegenüber. Seine Bedenken sind, dass ein Mensch, der mit einem Biochip ausgestattet ist, nicht nur dem Internet der Dinge zugeordnet wird, sondern im wörtlichen Sinne zu einem „Ding“ wird – einem weiteren Smart Device im Internet der Dinge.
Das führt uns zu einem anderen brisanten Thema …
Jede hergestellte Verbindung generiert Daten: Unser Onlineverhalten spricht Bände über uns und jeden Schritt, den wir machen, solange wir mit dem Internet verbunden sind.
Um der fortwährenden Datenerfassung Einhalt zu gebieten, können wir unsere PCs ausschalten und Smartphones und andere internetfähige Geräte loswerden, aber mit einem Biochip ist das nicht so leicht zu bewerkstelligen. Wenn ein Teil deines Körpers mit dem Internet verbunden ist, wird die Frage, wer deine Daten besitzt, umso relevanter. Und die Antwort auf diese Frage ist paradox: alle außer dir.
Regierungen, Executive-Search-Unternehmen, Social-Media-Firmen, Hacker, Marketingexperten, Big-Data-Analysts – sie alle besitzen die Daten, nur nicht diejenigen, die sie generieren. Es ist fast wie im Mittelalter: Auf der einen Seite sind die digitalen Herrscher – die Datensammler und -besitzer – und auf der anderen Seite das einfache Volk (die Internetnutzer), dem kaum Rechte zugestanden werden. Die digitalen Herrscher entscheiden frei, welche Daten sie sammeln und wie sie diese nutzen möchten. Alles, was es hierfür seitens der Internetnutzer braucht, ist ein Klick in das entsprechende Kästchen um die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu akzeptieren.
Mit einem implantierten Biochip in der Hand wird das Thema noch heikler, denn die Daten, die der Chip speichern und übertragen kann, sind unter Umständen höchst sensibel und sollten auf keinen Fall in die Hände von Drittanbietern geraten. Ganz zu schweigen davon, wie es wäre, wenn Onlinekriminelle auf diese Daten zugreifen könnten.
Das ist ein Gedanke, der Che und ein knappes Dutzend anderer Kaspersky-Lab-Mitarbeiter fortwährend begleitet. Sie entwickeln unentwegt neue Anwendungsbereiche für Biochips und erörtern die Vor- und Nachteile von Biochip-Implantaten. Ihre Diskussionen stellen den Ausgangspunkt für unsere Blogeinträge im BionicManDiary dar.