Was sind schon elf Prozent? Selbstverständlich würden Sie ein 11%iges Verletzungs- oder Cyber-Incident-Risiko nicht widerstandslos hinnehmen und ignorieren – aber besonders, wenn es um die Repräsentanz einer bestimmten Personengruppe am Arbeitsplatz geht, können 11 % sehr entmutigend sein. Leider wird die Cybersicherheitsbranche lediglich von insgesamt 11 % Frauen weltweit vertreten.
Wenn man bedenkt, dass sich die Branche mit einem alarmierenden Mangel an talentierten Arbeitern konfrontiert sieht, könnte man meinen, dass das Problem einfach gelöst werden kann, indem man das Interesse der Mädchen für Technologie weckt. Wie sich herausstellt, ist die Realität allerdings deutlich komplexer. Zunächst liegt das Hauptproblem nicht in dem fehlenden Interesse der Frauen und Mädchen. Da komplexe Probleme für uns bei Kaspersky Lab zu unserer Berufung gehören, haben wir deshalb unsere Untersuchung vor diesem Hintergrund mit einer ganztägigen Konferenz unter dem Namen CyberStarts fortgeführt.
Als unsere erste Hauptrednerin betonte Eva Galperin, dass 11 % der weiblichen Repräsentanz in der Cybersicherheitsbranche bedeuten, dass sich bei einem Meeting mit 10 Entwicklern lediglich eine Frau im Raum befindet und bei deutlich kleineren Meetings mit Sicherheit gar keine Frau vertreten ist.
Die daraus resultierenden Nachteile wirken sich offensichtlich nicht nur auf die betroffenen Frauen, sondern auch auf die Branche selbst aus.
Wie auch im Bereich der Cybersicherheit folgt auf die Identifizierung eines Problems die intensive Suche nach möglichen Lösungen, um herauszufinden, was in der Vergangenheit funktioniert hat und was nicht, was in der Gegenwart funktioniert und welche Versuchsmöglichkeiten in der Zukunft infrage kommen.
Einsicht ist der erste Weg zur Besserung
Die Tatsache, dass jede Frau auf diesem Planeten Geschichten zu erzählen hat, die vom Ausschluss und der Unberücksichtigung von Ideen und Familienbedürfnissen bei der Arbeit bis hin zu sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz oder bei Industriekonferenzen reichen, ist schrecklich und traurig zugleich. Wir leben noch immer in einer Zeit, in der diese Geschichten aus Gründen, die genauso umfassend sind wie die Geschichten selbst, laut ausgesprochen werden müssen.
Wenn die Männer der Chefetage beispielsweise der Meinung sind, sie hätten mit der bloßen Formulierung einer Richtlinie zur gleichberechtigten Berücksichtigung von weiblichen Bewerbern beigetragen, sich diese aber beim tatsächlichen Einstellungsprozess in keinster Weise bestätigt, könnten sie von Frauen mit einem Hinweis auf die fortwährende Notwendigkeit von Verhaltenskodizes und anderer Richtlinien überrascht werden.
Nach der Eröffnungsansprache von Eva Galpering am Vormittag – Director of Cybersecurity der Electronic Frontier Foundation – ging die Konferenz in eine Podiumsdiskussion mit Kasha Gauthier vom Advanced Cyber Security Center, Sara Munzinger von Carbon Black und Lesbians Who Tech und Pam Stenson von Alta Associates und dem Executive Women’s Forum, über. In beiden Sitzungen wurden Themen angesprochen, in denen es darum ging, wie man das Interesse von Mädchen und Frauen für Technik wecken und sie dazu ermutigen kann, auch tatsächlich in die Branche einzusteigen und beharrlich zu bleiben.
Hier eine Zusammenfassung der offensichtlich universellen Probleme:
- Frauen, die in die Cybersicherheitsbranche einsteigen, sind in der Minderheit;
- Frauen in der Tech-Branche sind besonders vulnerabel und haben vermutlich starke Erinnerungen daran, dass sie ihr technisches Leben kaum unter Kontrolle haben und gleichzeitig technologisch (durch Hacking oder Phishing) und/oder sozial durch ihren Tech-Gebrauch angegriffen werden (z. B. Cybermobbing) können;
- Sie könnten in Meetings und bei Industriekonferenzen übersehen werden;
- Sie könnten am Arbeitsplatz oder bei Industriekonferenzen sexueller Belästigung ausgesetzt sein;
- Wie auch ihre männlichen Kollegen, würden sie von Mentor-Mentee-Beziehungen profitieren und sich auf diese Weise als produktive Beitragende sehen; aufgrund der geringen weiblichen Vertretung, ist es jedoch sehr schwer, an die entsprechenden Mentorinnen zu kommen.
Diversität bringt uns allen Vorteile
Ist es tatsächlich ein Problem, dass die Branche zu fast 90 % aus Männern besteht? Wenn sich Frauen und Mädchen mehr für Cybertech interessieren würden oder besser dafür geeignet wären, würden sie diesen Berufsweg vermutlich trotzdem einschlagen, oder?
Nein. Der CyberStarts-Crew zufolge, die betonte, dass Frauen für High-Tech-Jobs sogar sehr gut geeignet sind (unser Bericht stimmt zu), ist dies ganz und gar nicht der Fall. Bei ihrem Vortrag beschrieben Munzinger und Stenson kurz, wie sie über angrenzende Felder vom umfangreichen Chancenfeld der Cybertechnologie angezogen wurden. Gauthier begründete darüber hinaus, warum sie Frauen als besonders geeignet für die Branche sieht: „Frauen sind von Natur aus Problemlöser; wir sind von Natur aus Teamplayer, hinterfragen einfach alles und gehen immer und überall an unsere Grenzen … Und genau das ist es, was die Informationssicherheit braucht.“
Den beiden Wortführerinnen zufolge besteht die primäre Herausforderung nicht darin, das Interesse der Frauen für die Branche zu wecken, sondern vielmehr darin, die Frauen auch langfristig und dauerhaft zu halten.
Warum sich die Branche dafür interessieren sollte? Ganz einfach – je mehr Stimmen, desto besser die Ergebnisse. Eine Personengruppe mit ähnlichen Erfahrungen, Perspektiven und Einkommen neigt dazu, Projekte und Produkte zu erstellen, die ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen und nicht unbedingt den Bedürfnissen anderer – die Erfahrungen und Ideen jeder Person bestärken die der anderen und erschaffen auf diese Weise einen Echoraum.
Eine reine Männergruppe könnte beispielsweise die Notwendigkeit vieler Mütter, am Ende des Arbeitstages ihre Familien ernähren zu müssen, nicht nachvollziehen oder nicht verstehen, warum Produkte für die weibliche Gesundheit auf irgendeine Art und Weise attraktiv sein könnten. Eine Personengruppe aus der Mittelschicht könnte, ohne darüber nachzudenken, ein Bürogebäude an einem Ort platzieren, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar ist, oder wohlmeinende Männer könnten einen Stift exklusiv für Frauen erschaffen und sich danach genügsam auf die Schulter klopfen. Fragen Sie die Erfinder verbundener Technologien nach ihren Beweggründen und Erwartungen und sie werden Ihnen, ohne Ausnahme, sagen, dass sie nicht daran gedacht haben, dass ihre „genialen Erfindungen“ auf irgendeine Art und Weise Schaden anrichten könnten.
Wir bringen die Branche voran
Obwohl es befrieding sein kann, Informationen und Kritikpunkte darüber auszutauschen, was in unserer Branche noch nicht richtig läuft, sind wir irgendwann dazu gezwungen, in die Zukunft zu blicken.
Aus diesem Grund wurde in unserem Nachmittagsvortrag von BrainBabe-Gründerin und CEO von CyberSN, Deidre Diamond, direkt auf die Einstellung und Bindung von diversen Cyber-Sicherheitstalenten eingegangen.
„Obwohl die persönlichen und zwischenmenschlichen Elemente eines Arbeitsplatzes nicht in standardmäßigen Budget-Arbeitsblättern aufgezeigt werden, haben Studien gezeigt, dass der EQ (Emotionsquotient) tatsächlich in positivem Zusammenhang mit dem Einkommen steht“, sagte Diamond. Ihre Aufgabe ist es daher, gesunde Begegnungen zwischen talentierten Menschen auf beiden Seiten der Personalabteilung zu schaffen.
Ein fortlaufender, iterativer Prozess
Diamond & Co. sprachen über Methoden, den Einstellungsprozess zu ebnen und erwähnten in diesem Zusammenhang auch die Entfernung der Namen auf Lebensläufen. Darüber hinaus sprachen sie von der Notwendigkeit, nicht nur vielfältige Arbeitskräfte einzustellen, sondern diese auch langfristig zu halten. Denn fünfzig Prozent der Frauen, die in Technologieberufe einsteigen, verlassen diese auch innerhalb von drei Jahren wieder.
Alle Rednerinnen waren sich weitgehend einig, dass „das Konzept der Work-Life-Balance keinen Anklang findet“. Im Wesentlichen betonten sie, dass Frauen ihre alltäglichen Verpflichtungen beim Betreten des Büros nicht abschalten und hinter sich lassen können. Daher muss ein integrativer Arbeitsplatz möglicherweise mit flexiblen Arbeitszeiten, Telearbeit und anderen Notwendigkeiten rechnen, die von einer bisher von Männern dominierten Branche nicht in Betracht gezogen worden sind.
- Bewegliche Ferientage sollten genutzt werden, um religiose (oder nichtreligiöse) Vielfalt zu respektieren;
- Anstatt zu verlangen, dass Mitarbeiter ihre eigenen Grenzen setzen und durchsetzen, sollte Arbeit mit Grenzen geschafft werden;
- Was zählt, sind die Ergebnisse, nicht die Arbeitszeit.
SafetyPIN-Gründerin und CEO, Jenny Thompson, betonte darüber hinaus, dass speziell Frauen einen Begleiter auf dem Weg zurück in die Arbeitswelt benötigen könnten.
Lindsey O’Donnell von Threatpost moderierte die Podiumsdiskussion am Nachmittag und vertrat gemeinsam mit Thompson, Prompt Inc.-Gründerin Hazel Butters, Alena Reva, Kaspersky Labs Vice President of Human Resources, und Addie Swartz, Gründerin und CEO von reacHIRE, die weiblichen Führungspositionen im Bereich Workforce.
Abgesehen von den oben genannten, etwas allgemeineren Aussagen über Frauen, die erfolgreich in die Arbeitswelt der Cybersicherheit eingestiegen sind, wurde auch über die allgemeine Arbeit und Karriere in der Cyberbranche gesprochen. Das Aufsteigen und Gedeihen in einer von Männern dominierten Branche hat gewisse Herausforderungen; so müssen sich Frauen beispielsweise noch immer in Bereichen behaupten, in denen ihre Kompetenz auch heute noch spezifisch infrage gestellt wird.
Bevor die Konferenz beendet wurde, gaben die Rednerinnen allen Frauen noch einige hilfreiche Tipps mit auf den Weg:
- Wenn Sie die einzige Frau in Ihrem Unternehmen – oder die kleine Minderheit – sind: Wählen Sie Ihre Schlachten überlegt aus;
- Nehmen Sie sich ein Beispiel an erfolgreichen Cybertech-Frauen und schwimmen Sie gegen den Strom;
- Stellen Sie sich mental darauf ein, dass Sie als Frau in der Cybertech-Branche in der Minderheit sein werden; Angst ist hier fehl am Platz;
- Wenn nötig, bitten Sie die Personalabteilung um hilfreiche Tipps und vergessen Sie nie, dass Sie dringend gebraucht werden;
- Bringen Sie sich ins Team ein und lehnen Sie keine Ideen von erfahrenen Kollegen ab – Diversität schließt jeden mit ein;
- Sie werden sich beweisen müssen und allen anderen zeigen, dass Sie die Nummer 1 sind!