„Snapchat is a new way to share moments with friends“ – so steht es auf der temporären About-Us-Seite der Foto-Sharing-App. Die Beschreibung ist gerade vage genug, um die technische Wahrheit darzustellen, aber eine ziemlich schwache Beschreibung für eine App, die wohl von Teenagern dazu genutzt wird, vertrauliche Fotos (sprich: Nacktfotos) miteinander auszutauschen.
Sogar die unschuldigsten Beobachter würden wahrscheinlich zustimmen, dass Snapchat mit seiner Standard-Foto/Video-Löschfunktion perfekt für so genanntes Sexting ist – egal wie naiv die vier vielversprechenden Stanford-Jungs auch sein mögen oder was immer sie auch vorhatten, als sie Snapchat entwickelten.
Ich will das Sexting-Thema hier nicht überstrapazieren, denn in unserer schönen neuen Welt der Smartphones mit Kameras und dauernder Internetverbindung, gibt es kaum etwas, das man dagegen tun kann, dass Jugendliche gewagte Fotos von sich herumschicken. Es ist einfach und auch verbreitet, dies per SMS, E-Mail, Twitter, Facebook und über andere Social-Apps zu tun, daher bin ich nicht sicher, was die ganze Aufregung und gespielte Entrüstung eigentlich soll.
Wenn Daniel Smith, David Kravitz, Bobby Murphy und Evan Spiegel genau daran gedacht haben, als sie die App entwickelten (und man kann sich kaum vorstellen, dass Sie das nicht getan haben), sollten sie vielleicht sogar dafür gelobt werden, eine App zu produzieren, die das auf eine weniger permanente Art ermöglicht.
Ehrlich gesagt, gibt es da draußen einen Haufen Menschen, von denen die meisten Snapchat wahrscheinlich genau so leichtfertig nutzen wie alle anderen Sozialen Netzwerke. Mir ist der Dienst bisher eigentlich nur als Möglichkeit zum Verschicken lustiger Videos untergekommen, wobei ich mich hier frage, warum die Videos so schnell wieder für immer gelöscht werden müssen (aber wer bin ich schon, Stanford-Leute in Frage zu stellen?).
Ein Sprecher von Snapchat wurde folgendermaßen zitiert: „Es gibt einen Grund, warum es illegal ist, ein Telefongespräch ohne Erlaubnis abzuhören – und der Grund ist nicht, dass jeder Telefonsex praktiziert.“
Tatsächlich fand eine Studie von Survatta, einer Online-Marketing-Firma aus San Francisco, heraus, dass Snapchatter wohl eher auf die altmodisch Art Sexting betreiben: per SMS. Survata befragte 5.475 18-29 Jahre alte Amerikaner. Von den dabei 715 bekennenden Snapchattern sagten nur 13 Prozent aus, dass sie darüber Sexting betreiben. In einer getrennten Studiengruppe bekannten sich dagegen 26 Prozent der Befragten, die Snapchat nicht nutzen, zum Sexting per SMS.
Zudem fragte Survata die Anwender, für was sie Snapchat denn dann verwenden. Wenig überraschend waren die häufigste Antworten: „um lustige Bilder an meine Freunde zu senden“, „um Grimassen für meine Freunde zu machen“ und „um Witze an meine Freunde zu schicken.“
Wie bei allen Dingen, hängt die Nutzung von Snapchat davon ab, wie schlau, kreativ und fantasievoll man ist. Man kann Snapchat benutzen, um bei einer Prüfung zu betrügen. Man kann Snapchat benutzen, um heimlich mit der Geliebten zu kommunizieren. Man kann Snapchat benutzen, um Drogen zu verkaufen. Die skrupellose Liste kann man ewig weiterführen, doch wenn man genau darüber nachdenkt, findet man garantiert auch zahlreiche positive Anwendungen dafür. Je nachdem, wie sicher der Service ist, könnte er zum perfekten Werkzeug für Aktivisten in autoritären Ländern werden, um untereinander vertrauliche Nachrichten auszutauschen. Snapchat ist eine gute Möglichkeit für nicht-permanente Kommunikation.
Auf den ersten Blick ist das Gute an Snapchat, dass die Snapchats (nennt man die so?) nach einer vorbestimmten Zeit für immer verschwinden. Außer, der Empfänger macht einen Screenshot. Aber Sie können sicher sein, dass Snapchat Sie informiert, wenn jemand einen Screenshot macht! Leider gibt es aber nichts, mit dem Sie verhindern können, dass der Ex-Freund-der-einen-Verlobungsring-gekauft-hat-weshalb-Sie-dachten-es-sei-für-immer den Screenshot mit seinen Kumpels teilt oder – noch schlimmer – online stellt, wo er noch lange online sein wird, wenn wir alle bereits tot sind.
Unterm Strich ist Snapchat zunächst weder gut, noch schlecht – es kommt auf zwei Dinge an: Screenshots und Vertrauen. Wenn Sie Snapchat für die Kommunikation mit jemandem einsetzen, dem Sie wirklich vertrauen können, ist es eigentlich sehr sicher. Wenn Sie Snapchat andererseits dazu verwenden, ein Foto Ihres Drogenverstecks an jemanden zu schicken, von dem Sie glauben, er sei Ihr Komplize, er in Wirklichkeit aber ein Undercover-Polizist ist, ist der Service wohl nicht gerade sicher.