Bei der Google-I/O-Konferenz hat das Unternehmen vier neue Projekte vorgestellt: Soli, Jacquard, Vault und Abacus. Wir sehen uns diese Projekte etwas genauer an und wie die Welt damit ein bisschen besser gemacht werden soll.
Google's latest Android update brings some much needed privacy strengthening #io15 – http://t.co/XPdvEUioPP pic.twitter.com/aWcCY8Ncjw
— Kaspersky (@kaspersky) June 1, 2015
Soli ist ein kleiner Sensor für Smart-Watches oder Fitness-Bänder, der die Handbewegungen besser registrieren und die Steuerung durch Gesten verbessern soll. Die Gesten sollen sowohl für die Gerätekontrolle (eine praktischere Möglichkeit als das Manipulieren winziger Objekte auf einem ebenso winzigen Bildschirm), aber auch für die Kontrolle anderer Geräte über drahtlose Verbindungen wie Bluetooth verwendet werden können.
Google's Project Soli to bring gesture control to wearables http://t.co/49CxKuThu0 pic.twitter.com/6C3X0EDPAV
— Engadget (@engadget) May 29, 2015
Aktuelle Gestenerkennung basiert meist auf der Analyse eines durch eine oder mehrere Kameras aufgenommenen Bilds. Doch das ist recht teuer, da viele Komponenten dafür benötigt werden, zudem verbraucht es enorm viel Computerleistung und Strom.
Der Soli-Sensor ist dagegen ein kleines Radar, das mit nur zwei Antennen bei einer Frequenz von 60 GHz arbeitet. Der Sensor scannt pro Sekunde 10 „Frames“ und reagiert praktisch sofort. Davon abgesehen muss man nicht wie bei der Kinect die Arme wie wild hin und her bewegen: Soli erkennt kleinste Bewegungen, etwa das Aneinanderreiben von Fingern oder Fingerschnippen.
Bisher ist nicht ganz klar, wie schnell dieses Interface lernen wird und wie gut die Menschen sich daran anpassen können. Sicher ist, dass zum Beispiel außer den grundlegendsten Multi-Touch-Gesten kaum jemand solche Bedienungsmöglichkeiten nutzt. Die wichtigste Aufgabe wird es sein, sicherzustellen, dass die Fingergesten extrem intuitiv und vorhersagbar sind und die Anwender die Gesten nicht ewig erlernen und üben müssen.
Das Wort Jacquard bezeichnet eine Art Stoff, der die Modebranche dramatisch verändern soll. Das Konzept basiert auf der Integration von Multi-Touch-Sensoren in den Stoff, so dass wir zum Beispiel eine Stelle am Arm oder im Schoß für Eingaben verwenden können, statt den Bildschirm des Smartphones.
Google is stepping into the world of smart fabrics: http://t.co/CetZGrdF54 pic.twitter.com/AYmBQ9DNlX
— Forbes Tech (@ForbesTech) June 16, 2015
Neben den Sensoroberflächen selbst verwenden die Jacquard-Entwickler auch speziell gefärbte, leitende Fäden, um die Sensoren mit Controllern zu verbinden. Das bedeutet, die Fäden wären nicht zu sehen und würden das Design der Kleidung nicht kaputt machen. Oder sie würden – wenn der Anwender das wünscht – zeigen, dass er etwas unkonventionelles, trendiges und hochtechnologisches trägt.
Man sollte noch erwähnen, dass die Integration von Sensoren in Kleidung bereits so durchdacht ist, dass es die Produktionskosten modischer Outfits nicht erhöht. Man braucht dazu nur die leitenden Fäden. Das Ganze ist also kein nerdiges Konzept, das erst in hundert Jahren Wirklichkeit werden wird: Google spricht bereits von einer Zusammenarbeit mit Levi’s, so dass wir wohl schon bald Cyber-Jeans tragen können.
Ein Anwendungsbeispiel, das mir da sofort eingefallen ist, wäre die Möglichkeit, Daten einzugeben, ohne ein Gerät mit Touchscreen aus der Tasche nehmen zu müssen (zum Beispiel eine Telefonnummer). Auch als Ersatz für Spiele-Controller und andere konventionelle Eingabegeräte könnte Jacquard dienen.
Vault ist eine brandneue Technologie, die Daten vor unberechtigtem Zugriff schützen und sogar sicherer als Fingerabdruckscanner sein soll. Zudem sollen Passwörter damit überflüssig werden. Denn einfache Passwörter, die man sich leicht merken kann, können von aktuellen Computern innerhalb weniger Minuten geknackt werden. Komplexe Passwörter dagegen (so etwas wie Xj$7f(sQp]1v^4) sind nicht so leicht zu merken, werden daher also meist aufgeschrieben und (in der unsichersten Variante) direkt neben dem Computer hingelegt.
Vault ist ein sehr kompaktes Gerät, das wie eine microSD-Karte wirkt. Computer und Smartphones erkennen das Gerät (unabhängig davon, welches Betriebssystem sie verwenden) als externen Datenträger, der zwei Dateien enthält: eine, in die geschrieben werden kann, und eine, von der gelesen werden kann.
Google’s Project Vault is a secure computing environment on a micro SD card, for any platform http://t.co/oTwxmcj06i pic.twitter.com/IwL1fVga8j
— TechCrunch (@TechCrunch) May 30, 2015
In Wirklichkeit handelt es sich bei Vault aber nicht nur um eine einfache Speicherkarte. Ohne allzu technisch werden zu wollen: Es ist ein virtueller Computer, der komplett autonom läuft und Daten verschlüsselt und entschlüsselt, während externe Software – egal für welches Betriebssystem sie geschrieben wurde – eine Prüfsumme prüft, um sicherzustellen, dass die gelesene Datei der geschriebenen entspricht und der Schlüssel akzeptiert wird.
Sie können Zugriff auf Daten von jedem Gerät bekommen, aber nur, wenn Sie diese „Wunderkarte“ besitzen, die unter anderem einen nichtflüchtigen Speicher, einen ARM-Prozessor, ein NFC-Modul und eine Antenne enthält – verwaltet von einem Linux-basierten RTOS-Betriebssystem.
Das bedeutet, dass der Anwender für die Autorisierung überall und jederzeit einfach nur die Karte einstecken muss. Ein Passwort muss nicht mehr eingegeben werden. Das ist natürlich nicht total revolutionär: Im Grunde handelt es sich um den altbekannten USB-Token oder dessen Vorgänger, den LPT-Key, die unter anderem von vielen Online-Banking-Apps verwendet werden. Der Nachteil dieser traditionellen Lösungen ist, dass man damit keinen Zugriff von anderen Geräten bekommt. Der Anwender muss vorab gespeicherte Einstellungen verwenden und Treiber installieren, um beide genannten Geräte am PC nutzen zu können.
4 neue @Google-Projekte von der #IO15: Ein paar Worte zu #Soli, #Jacquard, #Vault und #Abacus
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Auf der Konferenz wurde Vault bei der Vorführung zu sicherem Messaging gezeigt. Eine ausgehende Nachricht wurde auf einem Smartphone verschlüsselt, über Open-Protocol-Netzwerk übertragen und auf dem Empfangsgerät wieder entschlüsselt. Dabei wurden keine Schlüssel übertragen, so dass diese auch nicht von Hackern abgefangen werden können.
Abacus ist ein komplett neuer Ansatz zur Nutzer-Authentifizierung. Statt einem Passwort oder dem Zwei-Faktoren-Prinzip, das ebenfalls ein Passwort plus einer zweiten Authentifizierungsmethode nutzt, schlagen die Google-Forscher eine echte Multi-Faktoren-Authentifizierung vor, die auf Ortsmustern, der Art zu sprechen, der Art auf der Tastatur zu tippen und so weiter basiert. All diese Faktoren kombiniert erlauben es, eine konkrete Person zu identifizieren – und das zuverlässiger als mit einem Passwort.
Das Besondere dabei ist, dass diese Technologie keine spezielle Hardware benötigt. Alles, was Abacus zum Funktionieren braucht, gibt es bereits in modernen Smartphones. Man muss nur etwas Software hinzufügen. Auf der anderen Seite muss aber eine große Menge an Informationen über den Anwender und sein Verhalten gesammelt werden. Und das ist recht unbehaglich, wenn man bedenkt, wie viele unserer Daten Google bereits besitzt.