Keine Privatsphäre bei Google I/O

Google Glass war in der letzten Woche eine der Hauptattraktionen bei der I/O-Entwicklerkonferenz des kalifornischen Suchmaschinen-Giganten Google in San Franicsco. Wir hatten gehofft, dass Google auch die erheblichen und allgegenwärtigen

Google Glass war in der letzten Woche eine der Hauptattraktionen bei der I/O-Entwicklerkonferenz des kalifornischen Suchmaschinen-Giganten Google in San Franicsco. Wir hatten gehofft, dass Google auch die erheblichen und allgegenwärtigen Auswirkungen auf die Privatsphäre durch den kleinen Kopf-Computer, der alles sieht, was der Träger sieht, anspricht. Allerdings blieb dieser Aspekt auf der Strecke, während es Veranstaltungen zu allen möglichen Themen gab – von „Autoscaling Java“ (was auch immer das bedeutet) bis zum Indoor-Mapping. Auf der Webseite zu den Veranstaltungen der Google I/O wurde der Begriff Privatsphäre nur einmal erwähnt; das war der Link zu den Privatsphäre-Richtlinien von Google.

Google I/O

Im letzten Jahr wurde den Themen Sicherheit und Privatsphäre bei der Google I/O eine ganze Stunde gewidmet – beim Vortrag „Security and Privacy in Android Apps“. Das schien damals etwas bescheiden, doch wenn man in diesem Jahr die Liste der Präsentationen durchliest, um zu sehen, ob Privatsphäre überhaupt irgendwo angesprochen wird, scheint das doch recht viel gewesen zu sein.

Glücklicherweise ging es dann bei der Google I/O doch zweimal auch um die Privatsphäre: einmal bei einem Google Glass Fireside Chat und einmal bei einer Anekdote, die von Googles Chefetage erzählt wurde.

Es überrascht nicht, dass die beste Diskussion über Privatsphäre von einem Zuhörer bei der Google-Glass-Präsentation angeregt wurde. Laut unseren Freunden bei The Verge spielte Steve Lee, der Product Director für Google Glass, die Bedenken herunter, als er zu den Auswirkungen auf die Privatsphäre gefragt wurde, die das von vielen sehnsüchtig erwartete Produkt bringen würde. Er sagte wenig aufmunternd, dass es möglich sei zu erkennen, wenn man von jemandem mit Google Glass aufgenommen wird, und dass bei der Entwicklung von Google Glass die Privatsphäre der Anwender für die Produkt-Designer ein äußert wichtiger Aspekt gewesen sei.

In einer schockierenden Abweichung von der Norm schien sogar der US-Kongress die Stimmung der Öffentlichkeit zu teilen, als er einen Brief an den Google-CEO und Mitgründer Larry Page schrieb, der die  Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre von Anwendern und Nicht-Anwendern ausdrückte und Antworten auf einige recht harte Fragen verlangte. Page muss bis 14. Juli Antworten liefern, die uns eine weitaus klarere Sicht auf die Auswirkungen auf die Privatsphäre durch die noch nicht veröffentlichten Computer-Brillen geben werden.

Es mag etwas unfair sein zu sagen, dass Google die Privatsphäre der Anwender verhöhnt, nur weil es in diesem Jahr keine Veranstaltung dazu auf der Google I/O gegeben hat, bei der Entwicklern gezeigt wird, wie sie die Ressourcen, Tools und Geräte von Google so optimieren können, dass bessere Apps und Web-Dienste entwickelt werden können. Daher sollte man zur Verteidigung von Google darauf hinweisen, dass das Unternehmen im aktuellen Who-Has-Your-Back-Report der Electronic Frontier Foundation sehr gute Noten bekommen hat. Allerdings hat es Page viel einfacher gemacht, Google in Bezug auf die Privatsphäre zu kritisieren – und das sagt schon einiges, denn Datenschützer greifen Google schon seit Jahren an, wenn es um die Verarbeitung von Anwenderdaten geht. Der CEO und Mitgründer war bei der Google I/O ebenfalls auf der Bühne, und da er in seinem Blog sowie seinem Google-Plus-Konto über eine Nervenkrankheit schrieb, die seine Stimmbänder lähmte, schien er vorzuschlagen, dass jeder etwas weniger verklemmt sein sollte, wenn es um die Geheimhaltung seiner Krankenakten geht.

Man kann natürlich nicht sicher sagen, ob Pages Ansichten zur Geheimhaltung von Krankendaten seine Ansichten zur persönlichen Privatsphäre wiederspiegeln. Aber es ist dennoch interessant, wenn sich eine so wichtige Figur in der Debatte um die Privatsphäre für mehr Offenheit in Bezug auf Krankendaten ausspricht. Man muss ihm zu Gute halten, dass er wohl das Potenzial für technologische und medizinische Fortschritte herausstellen wollte, die durch so eine Offenheit erreicht werden könnten.

Natürlich war es mutig von Page, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch ein Milliardär, der öffentlich über eine nicht-lebensbedrohliche Krankheit spricht, die seine Stimme beeinträchtigt, ist eine Sache – eine ganz andere Sache ist es, wenn jeder auf Krankenakten zugreifen kann, die detaillierte Infos über stigmatisierende, ansteckende oder tödliche Krankheiten enthalten.

Im Jahr 1991 erschütterte es die Welt, als Magic Jonson eine HIV-Infektion als Grund für das Ende seiner aktiven Karriere nannte. Rückblickend war Johnsons Aussage überaus gut, doch Magic Johnson war wohl einer der besten Basketball-Spieler überhaupt. Die Reaktionen auf seine Ankündigung reichten von überaus positiv bis wahnsinnig negativ, doch die Realität ist, dass er es nicht nötig hatte, noch zu arbeiten. Nicht alle haben diese Sicherheit. Man möchte nicht unbedingt, dass potenzielle Arbeitgeber über lähmenden post-traumatischen Stress, Angststörungen oder andere Beschwerden Bescheid wissen, bevor man überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird.

Es ist natürlich absolut möglich, dass Google mit Google Glass (und natürlich auch Android) die besten Absichten hat oder dass Larry Page nur Gutes erreichen möchte, wenn er uns mahnt, mit unseren Krankendaten offener umzugehen. Doch es ist auch möglich, dass Google mit der neuen Strategie zur Privatsphäre davon ablenken, das Thema schlecht machen und herunterspielen möchte, bis sich niemand mehr um seine persönliche Privatsphäre kümmert: Eine passende Strategie für ein Unternehmen, das sein Imperium auf Daten aufbaut.

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